Der Notstand ist bereits vor Tagen ausgerufen worden, doch der Tessiner Regierungsrat hat am Samstagabend noch weiter gehende Massnahmen getroffen, um die Ausbreitung des Coronavirus zu stoppen. Bereits am Sonntagmorgen sind die Konsequenzen zu spüren und zu sehen. Das Tessin ist weitgehend zum Stillstand gekommen.
Augenschein am Morgen auf der Piazza Grande von Locarno: Nur vereinzelt laufen überhaupt Menschen durch die Stadt. "Wir räumen noch ein wenig auf", sagt der Mitarbeiter einer Bar, die schon geschlossen hat. Auf Zetteln wird die Massnahme erklärt: "Lokal geschlossen, um die Gesundheit zu schützen und die Epidemie zu bekämpfen."
Die Kantonspolizei erklärt auf Anfrage, dass nach den bisherigen Erkenntnissen die am Vortag erlassenen Richtlinien im Gastgewerbe eingehalten wurden.
Gemeinsam schaffen wir's - andrà tutto bene
Neben den Verweisen auf die Verordnungen des Kantons fallen auch viele
positive Botschaften auf: "Forza Ticino: Insieme ce la faremo" -
"Vorwärts Tessin, gemeinsam werden wir es schaffen". Immer wieder zu
sehen ist auch der aus Italien übernommene Hashtag #andràtuttobene -
alles wird gut gehen.
"Es ist schon sehr traurig, die Stadt so menschenleer zu sehen", sagt
ein Passant. Nur einige Bäckereien sind geöffnet sowie Kioske und
Tankstellen. Viele Geschäfte haben bereits Schilder angebracht, dass sie
vorläufig nicht mehr öffnen - das heisst: ab Montag. Denn am Sonntag
sind sie sowieso geschlossen.
Heilige Messen werden vorläufig nicht mehr gelesen, doch die
Gotteshäuser bleiben geöffnet. In den Kirchen sieht man einige Gläubige,
die Kerzen anzünden und beten.
Solidarität zwischen den Generationen
In den Quartieren findet man angeheftete Zettel von jungen Menschen, die
Alten ihre Hilfe - etwa zum Einkaufen - anbieten; Gesten einer
wachsenden Solidarität. Um 12 Uhr läuten die Kirchenglocken.
Alphornbläser haben vereinbart, am Mittag auf ihren Balkonen zu spielen.
Allerdings sind sie kaum zu hören.
Der Verkehr auf den Strassen ist weitgehend zum Erliegen gekommen. Das
war auch am Samstag schon so, obwohl das Öffnungsverbot für Geschäfte
noch nicht in Kraft war. Die vielbefahrene Autobahn A2 von Lugano zum
Grenzübergang Chiasso war bereits weitgehend verwaist - Chiasso selbst
gespenstisch ruhig.
Die Zahlen der Zollverwaltung bestätigen, dass der Grenzverkehr extrem
rückläufig ist. Das Schengen-Abkommen ist ausgesetzt. Es gibt wieder
systematische Kontrollen.
Gespannt auf Montag
Gespannt wartet man im Tessin auf den Montag, einen Tag, an dem
normalerweise das Leben wieder zurückkehrt. Doch dieses Mal wird es
nicht so sein. Die Geschäfte bleiben geschlossen, mit Ausnahme der
Lebensmittelläden, Apotheken und Tankstellen. Alle Schulen bleiben
geschlossen.
Wie wird die Industrie und Wirtschaft reagieren? Wie viele Betriebe
werden ihren Betrieb einstellen? Das sind am Sonntag noch die grossen
Fragen